Wenn dich irgendetwas dazu bringt, deine Essays/Hausarbeiten/was auch immer rechtzeitig anzufangen und nicht bis auf die letzte Minute zu verschieben, dann ist es dieser Post!
Livedokumentation: Essayabgabe
Ich
denke, es wird recht unterhaltsam, wenn ich eine Art „Tagebuch“
über meine Verzweiflung führe. Außerdem, was ist besser, als sich
ablenken zu können, wenn man sich nicht ablenken lassen sollte?
Kurze Situationsbeschreibung: Es ist gerade 20:09 und morgen habe ich
Abgabetermin eines achthundert Wort-Essays mit dem Thema: „Why is
Albert Angelo considered a postmodern novel?“. Wir müssen
mindestens drei Sekundärquellen angeben und am besten wäre es, wenn
das ganze Sinn ergibt. Wie im vorherigen Post beschrieben, habe ich
gerade eben erst das Word-Dokument geöffnet. Na, wenn das kein guter
Start ist.
19:03
Komme zuhause an. Uni war lang, Uni war anstrengend. Warum habe ich
das Essay nicht geschrieben als der Abgabetermin noch in weiter Ferne
war? Wieso wusste ich von Anfang an, dass ich es die Nacht davor
machen würde? Wieso? Uni! Da wollte ich mich eigentlich anstrengend.
Ich bin doch jetzt erwachsen. Ich neige leider zum absoluten Verdrängen. Wenn ich etwas ignoriere, wird es nie passieren. Klappt bei Dingen wie Abgabeterminen leider nur nie so ganz. Egal. Jetzt esse ich erst mal was.
Essen schadet nie.
20:12
Urgh. Das sieht nach unheimlich viel Arbeit aus. Nachdem ich jetzt
schon über meine Situation gebloggt habe und dieses sexy Tagebuch
gestartet habe, noch mal schnell zu Rewe Engery Drinks und Snacks
kaufen. Das wird definitiv eine Nachtschicht, die ich ohne Coffein
nicht überlebe. Nach einer Stunde habe ich noch nicht mal nach einem
Sekundärtext gesucht. Wenn ich bedenke, dass meine Semesterbeiträge
teilweise dafür genutzt werden, unserer Uni Onlinezugänge zu
Zeitschriften zu bezahlen, möchte ich jetzt am liebsten gleich
hundert Euro mehr bezahlen. Wenn ich alle Quellen in der Bibliothek
finden müsste, wäre ich jetzt ziemlich geliefert.
20:51
Ich wähle den eine-Stunde-Soundtrack von den
Avengers als perfekte Arbeitsmusik. Was motiviert mehr zum erfolgreichen
Arbeiten als die Avengers? Nichts. Ich werde zu einem Genie wie Iron
Man, zu einem perfekten, schwülstigen Englischsprecher wie Thor, zu
einem Mensch, der Strategie und Formulierung wie Captain America um sich haut. Ich
fühle es in meinem Blut! Wut macht Bruce zu Hulk, Averngermusik
macht mich zu Virginia Woolf. Ich merke schon wie mein Blut kocht!
Oh, guckt mal! Auf Tumblr hat gerade eine meiner Freunde zwanzig
sinnlose Fragen über sich selbst beantwortet. Spannend, sie trägt
heute schwarze Unterwäsche mit weißen Punkten. Essay? Was für ein
Essay?
21:03
Ich schreibe die erste Facebook-Nachricht an Anna. Ich schildere ihr
die Situation. Achthundert Wörter bis morgen. Über ein Thema zu dem
ich noch keinen einzigen Sekundärtext gelesen habe. Wieso? Wieso bin
ich wie ich bin?
21:05
Ich habe die ersten 29 Wörter. Ist doch gar nicht mal so schlecht,
oder? Wenn ich dieses Tempo aufrecht halte, sollte ich in hundert
Stunden fertig sein. Aber mein zuckerfreier Red Bull ist fast alle.
Wieso trinke ich den eigentlich zuckerfrei? Vermutlich damit ich kein
schlechtes Gewissen haben muss, dass ich mir ca. 200 g puren Zucker
in Form von Mr. Tom in den Mund schaufel.
22:13
Kaffee. Ich habe Kaffee gekocht. Jeder der mich kennt, wird erstaunt
nach Luft schnappen. Ich schmecke Kaffee selbst aus
Starbucks-Caramel-Getränken raus und verziehe das Gesicht. Allein
der Geruch von Kaffe dreht mir den Magen um. Aber ich bin mir sicher,
Coffein wird mein Retter sein. Ich habe eine obszöne Menge Milch und
braunen Zucker in die eklig schmeckende, braune Flüssigkeit gerührt.
Geschmack ist erträglich, immer noch nicht lecker.
22:16
Meine zweite Nachricht an Anna: “Mich hat das Studentenleben
eingeholt. Ich trinke Kaffee. Mit einer obszönen Menge an Milch und
Zucker, aber Kaffee. Ich glaube, ich bin nicht zum studieren geeignet.
Wenn ich sehe wie viel Spaß es allen macht und ich bin nur heillos
überfordert. Versteh mich nicht falsch, es macht Spaß, aber ich
schaffe es einfach nicht, dieses Essay zu schreiben. Lieber trinke
ich ekligen Kaffee, in der Hoffnung, dass das Coffein die Steuerung
in meinem Körper übernimmt und mich zu einem Genie macht. Ich habe
nur noch 13 Stunden und 45 Minuten. Aber immerhin schon 29 Wörter. Fehlen ja nur noch 771.“ [Groß- und Kleinschreibung sowie
Rechtschreibung nachträglich verändert.]
22:40
Ich fühle mich als wäre ich betrunken. Kaffee tut mir wirklich
nicht gut. Alles vor meinen Augen ist verschwommen – ja, ich trage
meine Brille, daran liegt es also nicht – in meinem Kopf schwirren
Gedanken umher. Ich kann sie nicht festhalten. Ich weiß immer noch
nicht, was Postmodernismus ist.
22:53
Eine dritte Nachricht an Anna: „Weißt du was? Ich sende jetzt
einfach eine Bewerbung an McDonalds und lass es gut sein“ Der
Avengers-Soundtrack ist durch. Ist wohl nichts geworden mit der
unheimlichen Motivationskraft. Ich mach
Harry Potter an. Ich meine, wo wenn nicht in Hogwarts lernt man am Besten?
23:25
Ich beschließe, den WLAN-Router zu ziehen. Ohne Internet MUSS ich
doch arbeiten, oder? Leider stelle ich fest, dass ich den einen
Sekundärtext nur mir Internet lesen kann – hey, merkt ihr was? Ich
hab zumindest schon angefangen Sekundärtexte zu lesen!
Internet-High-Five! – ansonsten findet er immer, wenn ich
„umblättere“ die Seite nicht. Wuhu. Ist ja nicht so als würde
ich auch nur ein Wort verstehen. Aber wenigstens habe ich wieder
Internet und eine Möglichkeit mich vor dem Arbeiten zu drücken. War
Tumblr schon immer so spannend?
23:52
ICH HABE DIE EINLEITUNG. Ungefähr einhundertfünfzig Wörter, die mein
thesis statement einleiten. Ich bin glücklich, ich könnte weinen
vor Freude. Meine Hände zittern. Mein Energydrink ist schon fast
wieder alle. Nein, das ist mein letzter. Rewe hat schon zu, macht
erst in acht Stunden wieder auf. Ich denke über Rewe nach. Rewe ist
ein wichtiger Teil meines Lebens geworden, wenn man bedenkt, dass ich
nie einen betreten hatte, bevor ich nach Frankfurt zog.
00:43
Ich weiß nicht, was ich eine Stunde lang getan habe. Ich bin kein
Wort weiter. Aber mein Rockstar ist beinah alle. Dann kommt jetzt
wohl mein Cola Light Vorrat dran. Vielleicht genehmige ich mir gleich
eine Zigarette. Oder trinke doch noch diesen ekligen Kaffee. Ich habe
mich jetzt erfolgreich bei jedem Menschen den ich kenne darüber
beschwert, dass ich chronisch faul bin. Übrigens habe ich nun zu einer Setlist gewechselt, die abwechselnd Rihanna und Bosse spielt. Musikgeschmack im Keller!
01:19
Oh mein Gott, was war das? Das erste Argument ist komplett formuliert
und ich finde es gut. Ich trinke gerade an meiner ersten Flasche Coke
dieser Nacht. Ich liebe Cola Light, beste Erfindung Amerikas. Wer
Amerika nicht liebt, würdigt Cola Light einfach nicht genug. Ergibt
dieser Satz Sinn? Nein, aber muss er das? Nein, nur mein Essay muss
Sinn ergeben und oh mein Gott, klingt es bis jetzt gut.
02:02
466 Wörter. Aber ich hab nichts mehr zu sagen. Ich weiß nicht,
womit ich noch vierhundert Wörter schaffen soll. Wörter schaffen,
so etwas haben nur Genies getan. Wie Goethe. Ich gehöre zu Brechts
Knechten. Wörter sind harte Arbeit. Es dauert, sie zu formen. Man
muss über sie nachdenken, ihnen Bedeutung geben. Wörter schafft man
nicht, man erarbeitet sie. Ich vergleiche mein Essay gerade mit
Brecht. Ich sollte super dringend ins Bett. Aber ich habe erst knapp
über die Hälfte. Vor allem sind bereits jetzt so viele der Wörter Zitate. Urgh. Ich
schmeiße mal schnell die Zitate raus.....
02:04
360 Wörter ohne Zitate. Ich sterbe.
02:13
Ich habe den letzten Riegel aus der Packung Mr. Tom gegessen. Wuhu.
Ich habe gerade drei Milliarden Kalorien verdrückt. Gratulation.
Wenigstens sinnlos essen kann ich.
02:41
Ich stecke fest. Ich finde nichts worüber ich noch schreiben könnte.
Ich meine, natürlich gibt es genug Dinge über die man schreiben
könnte, aber ich muss es ja auch belegen, beweisen, wirklich
unterstützen können. Argh. Und um ehrlich zu sein, weiß ich noch
immer nicht was Postmodernismus ist.
02:50
Ich stelle einen Rekord in Pinkelpausen auf. Und werde nun den Tod
des Autors ausnutzen. Wenn es ein Thema gibt, das mir zu den Ohren
raushängt, dann ist es der Tod des Autors. Aber ich werde es nun
schamlos ausnutzen. Wenn ich irgendwas auf 300 Wörter ausdehnen
kann, dann Foucault und Bathes blöden Tod des verdammten Autors.
03:19
675. almost. Ich kann mein Betts schon fast spüren. Die Decke auf
meiner Haut, mein Elefant in meinem Arm – ja, ich schlafe mit einem
Kuschelelefanten, sein Name ist Törö. Der erste der lacht, kriegt
auf's Maul!
03:23
Wusstet ihr, dass Calvin Kleins „Obsession“ anziehend auf Tiger,
Jaguar und Löwn wirkt? Also tragt das besser nicht bei der Safari
;-)
03:25
Mal ganz ehrlich, ich habe über 1000 Wörter geschrieben, als ich
mich darüber aufregte, dass
Disney das Charakterdesign von Merida ändert. Wieso schaff ich dann nicht mal achthundert über ein so
ergiebiges Thema???
03:48
Ein Argument. Ich muss nur noch ein einziges Argument finden. Wo hat
es sich nur versteckt? Ich brauche nur einen guten Sekundärtext. Und
ich wäre fertig. Warum tauchst du nicht auf? Ich glaube, Coffein
fließt durch meine Adern. Was ist Blut? Nein, mal ehrlich: Was ist
Blut? Habt ihr das jemals verstanden? Rote Blutkörperchen, weiße
Blutkörperchen. Zu viele weiße Blutkörperchen und wir bekommen
Leukämie. In Kinderbüchern werden die Blutkörperchen immer wie
kleine Roboter dargestellt. Vielleicht sind wir alle Roboter,
gesteuert von Nanorobotern in unserem Blut? Tötet man seine
Nanoroboter mit zu viel Alkohol und Coffein? Sind wir nur dann
unser wahres Roboter-Ich, wenn die Nanoroboter verwirrt sind? Und weil wir das so peinlich finden, leisten wir freiwillig Aufbauhilfe, retten die Nanoroboter. Wir sind lieber die von Nanorobottern besetzte Version als die ehrliche, peinliche, betrunkene.
04:30
ES WIRD DOCH WOHL EINE SCHEIß SEKUNDÄRQUELLE GEBEN, DIE MEIN
BESCHISSENES DRITTES ARGUMENT UNTERSTÜTZT! WILLST DU KRIEG???!
05:13
Wow. Vor zehn Minuten war es draußen noch dunkel, jetzt höre ich
Vögel und es ist wahnsinnig hell. Wtf.
06:23
Ich hab die bibliografische Angabe beendet. Urgh.
06:53
Ein paar stunden Schlaf sind drin, oder?
07:02
Ich lese gerade noch schnell das Essay einer Freundin Korrektur. In
meinem Zustand. Haha, aber ich habe immerhin noch ein paar kleine
Fehler gefunden. Jetzt aber wirklich ins Bett!
12:00
Mein Wecker klingelt. Ich habe gut geschlafen. Schnell diesen
Blog-Eintrag lesen, verbessern, sich über meinen Gehirnzustand
wundern. So habe ich ein Essay geschrieben? Kann ja nur absoluter
Horror sein. Nun gut, auf das stürze ich mich jetzt noch mal. Werde
hoffentlich nicht alles löschen müssen, weil es absoluter Nonsense
ist. Ach ja, ich kam tatsächlich auf 950 Wörter.