Himmelhoch
jauchzend, zum Tode betrübt
to
Anna
Heute
möchte ich eigentlich zwei Dinge erzählen, einmal möchte ich von zwei Erlebnissen, die ich auf der Zeil in Frankfurt hatte,
berichten und dann übers Wetter reden. Man kann nie genug über
das Wetter reden. Aber alles von Anfang an:
Ich
oute mich jetzt als einer dieser kaltherzigen, egoistischen Menschen,
die den Großteil von Bettlern auf der Straße ignoriert. Ich geh
sogar noch weiter und sage, dass ich von ihnen teilweise wirklich
genervt bin. Damit meine ich, dass ich es schrecklich finde, wenn ich
eine Dose in der Hand halte und aus ihr trinke, mir auf einmal ein
Mann hinterher rennt und mich alle zwei Minuten fragt, ob ich endlich
fertig wäre. Für mich persönlich grenzt das fast an Belästigung.
Oder die Menschen, die in der Fußgängerzone sitzen und ihre
verwundeten, verkrüppelten – gibt es einen netten Weg verkrüppelt
zu sagen? – Körperteile so präsentieren, dass man sie sehen muss.
Wozu? Soll das mehr Mitleid erregen? Soll ich eher bereit sein,
Menschen Geld zu geben, die eine Art Behinderung haben? Soll ich ab
sofort Rollstuhlfahrern mein Geld in die Hand drücken? Schließlich
sind sie ja benachteiligt, zumindest versucht man mir das doch klar
zu machen. Natürlich ist mir bewusst, dass sie damit ausdrücken
möchten, dass sie nicht selbst für sich sorgen können. Was mich
aber wieder dazu bringen würde, jedem Menschen mit Behinderung Geld
zu schulden. Mir geht es einfach darum, soll ich sie anders behandeln
als andere Menschen, die um Geld bitten, nur weil sie auch körperlich
eingeschränkt sind? Das klingt für mich irgendwie nicht richtig.
Ich behandle nicht-arme Behinderte doch auch nicht anders, sondern
als ganz normale Menschen. Wieso ändert sich das, wenn sie um Geld
bitten? Wieso muss/soll ich sie dann anders behandeln, ihnen mehr
geben als anderen?
Bevor
man mich jetzt für den Anti-Christen hält: Ich gebe meine
Pfandflasche öfters an die Männer ab, die Flaschen aus dem
Mülleimer ziehen und nie auf die Idee kämen mich nach meiner zu
fragen. Ich gebe Lebensmittel und volle Getränkeflaschen, die ich
manchmal einfach kaufe, weil ich im Kaufrausch war oder eben etwas
kaufen musste um ein Klo verwenden zu dürfen, oft an die Obdachlosen
ab, die an der Zeil „wohnen“ und nie nach Geld fragen. Oder wenn
ich mir einen Snack eingepackt hatte und dann merke, ich habe doch
keinen Hunger. Ich schmeiße relativ hohe Geldsummen in die Hüte
oder Instrumentkisten von Straßenmusikern, die ich für gut erachte.
Ich weiß nicht wieso, aber ich fühle mich einfach nicht wohl dabei,
Menschen die um Geld so penetrant betteln, Geld zu geben. Vielleicht
liegt es an den ganzen Horrorstorys über „osteuropäische
Bettlerbanden“ [Vorsicht! Stigmatisierung!] oder vielleicht bin ich
doch der Anti-Christ. Und mir ist durchaus bewusst, was für eine
Überwindung es sein muss, nach Geld zu fragen. Ich kann nicht mal
Geld oder Lebensmittel von Freunden annehmen, wenn sie mich
unterstützen wollen, weil ich am Ende des Monats wegen irgendwelcher
dummer Zufälle absolut Pleite bin. Wie schlecht muss es einem also
gehen, wenn man wildfremde Menschen danach bittet? Natürlich muss
man diesen Menschen irgendwie helfen, aber im Gegensatz zu den
Obdachlosen von denen ich gerade erzählt habe, weiß ich, dass
zumindest ein Bettler auf der Zeil eine Wohnung hat, zu der er jeden
Abend fährt und dort schläft.
Long
story short: Letzte Woche hab ich zwei Dinge mit besagter
Personengruppe erlebt, die mich sehr nachdenken ließen: Ich lief mit
einer Freundin an einem recht jungen auf der Straße lebendem Mann
vorbei. Der war gerade dabei aufzustehen, weil ein Mann seine fast
aufgeraucht Zigarette hatte fallen lassen. Könnt ihr mir folgen?
Junger, obdachloser Mann steht auf, weil er die fast aufgeraucht
Kippe eines anderen aufheben und rauchen möchte! Und mit fast
aufgeraucht meine ich, so viel, dass vielleicht noch ein oder zwei
Züge drin sind. Nichts wofür irgendjemand, der das hier liest, auch
nur einen Blick verschwendet hätte. Das war das vermutlich
traurigste, was ich in meinem Leben jemals gesehen habe. Wir haben
ihm dann eine frische Zigarette angeboten. Natürlich ist es nicht
gut Süchte zu unterstützen blablabla. Ich verbuche es dennoch unter
guter Tat.
An
einem anderen Tag, sonnig und warm, saß ich an der Zeil und hab für
die Uni gelernt und das Wetter genossen. Auf jeden Fall stand dort
dann ein Mann, der seiner Frau – mit vermutlich gemeinsamer Tochter
– erklärt hat, warum er sie geschlagen hat. „Du hast mich
provoziert. Immer weiter. Das heißt, dass du dir eine fangen willst.
Bei Männer ist das so, wenn du provozierst. Irgendwann schlagen wir.
Du sollst mich halt nicht provozieren. Das ist die Natur des Mannes,
der muss dann zuschlagen!“ Man kann sich vorstellen, ich hätte am
liebsten gekotzt. Einer der Obdachlosen, denen ich ab und an etwas zu
Essen geben, hat das Gespräch auch mitbekommen und mit einem lauten
„Man schlägt keine Frauen, du bist kein Mann!“ kommentiert.
Ehrlich, Applaus. Dieser Mann hat meinen ganzen Respekt. Ich hatte
viel zu viel Angst vor diesem Typen um irgendwas zu sagen, daher
ziehe ich meinen Hut. Und ist es nicht unglaublich traurig, dass ein
Mann, der auf der Straße lebt, mehr Ahnung von richtig und falsch hat,
als ein nicht-obdachloser Mann mit Kind? Können wir über unsere
Gesellschaft kurz nachdenken?
Themenwechsel:
Deutschland kennt nur noch zwei Extreme: Höllenfeuer-Hitze und
antarktische Kälte. Ich bin mir nie sicher, ob ich einen Rock tragen
soll oder die Winterjacke wieder hervor kramen möchte. Meistens
wechselt es ja auch von einem Tag zum nächsten. Und damit ist
Deutschland eine viel zu treffende Metapher für mein Leben. Ich bin
himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Morgens komme ich kaum aus
dem Bett und Abends nicht mehr rein. Ich verbringe mein Zeit entweder
auf der Arbeit oder in der Uni oder ich lerne für die Uni. Das
erklärt auch die deprimierend kleine „books 2013“ Liste. Wenn
ich wüsste, wann ich lesen soll, würde ich es durchaus tun.
Aber
zurück zu meinem Monolog des Selbstmitleids: Ich bin so unglücklich
wie schon lange nicht mehr und traurigerweise gibt es nicht mal einen
Grund dafür. Im Grunde sammle ich first world problems [vielleicht
gehe ich in einem anderen Post mal näher darauf ein] und steigere
mich in sie hinein, z.B. das ich dieses Jahr kaum Bücher gelesen
habe, das meine Wohnung aussieht wie shit und ich einfach keine Zeit
finde, sie aufzuräumen. Andererseits werde ich langsam doch etwas
glücklicher mit mir selbst. Ich treibe viel mehr Sport als früher –
was nicht schwer ist, da ich früher gar keinen Sport gemacht habe –
und halte Diäten mehr oder weniger durch. Allein die Tatsache, dass
ich für sechzig [60!!!!] Minuten joggen kann, ist für mich eine
absolute Glanzleistung. Früher konnte ich nicht mal fünf Minuten
joggen. Aber was bringt mir meine Sportlichkeit – ja, ich weiß,
ich bin noch lange nicht sportlich, aber ich messe das einfach in
meinen Maßstäben und demnach hab ich schon fast eine olympische
Goldmedaille verdient – und meine Diäten wenn ich immer wieder
Schokoladenflashs bekomme und geschätzte drei Kilos auf einmal in
mich reinstopfe?
Sobald
die Sonne scheint habe ich absolute Glücksmomente und könnte die
Welt umarmen, ich verbringe die Zeit mit Büchern, Freunden, der
Sonne! Das Leben ist schön, ich genieße mein Leben wie es ist und
am nächsten Tag möchte ich stundenlang weinen und das Haus nicht
verlassen. Life is suffering. Und ich ein verwöhntes, jammerndes Mittelklassemädchen.
with
Love
xoxoxo
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